Hab ich die richtige Brille auf?


Wort zum Sonntag, 26.02.2023 (1. So. der Passionszeit, „Invocavit“)

von Pastor Ulf Cyriacks, Ev.-luth. Kirchengemeinden Himbergen und Römstedt
Pastor Ulf Cyriacks (Foto: privat)

„Die Trauung war geil. Aber glaubst du das wirklich, was du da vorhin erzählt hast - das mit der Liebe Gottes?“ So fragte mich der Trauzeuge zu fortgeschrittener Stunde während der Festlichkeiten, nachdem die Hemmschwellen überwunden waren. 

Immer wieder höre ich Menschen sagen: „Ich kann das nicht glauben, was die Bibel erzählt. Ich halte mich lieber an etwas Handfestes, was ich sehen, anfassen und wissenschaftlich beweisen kann. - Wo ist denn euer Gott? Schaut euch doch den Krieg in der Ukraine oder die Erdbeben in der Türkei und Syrien an.“ 

So oder ähnlich wird argumentiert und durch persönliche Schicksalsschläge und Katastrophen ergänzt, so dass die Konsequenz oft darin besteht, dass sich die Sache mit Glauben und Gott erledigt hat.

An diesem Sonntag feiern wir den ersten Gottesdienst in der sogenannten Fastenzeit. Es sind die vierzig Tage zwischen Aschermittwoch und Ostern, in denen viele Menschen bewusst im Alltag auf etwas verzichten. Während die eine kein Alkohol trinkt in diesen Wochen, verzichtet der andere auf Süßigkeiten. Etwas anders machen, den Trott des Alltags durchbrechen, um den Wald vor lauter Bäumen wieder erkennen zu können.

Die Fastenzeit wird auch Leidenszeit genannt, weil sie zugleich auch jene Zeit ist, in der wir eingeladen sind, den Weg Jesu nach Jerusalem mitzugehen, den Weg von Freude, Leid, Anfechtung, Kreuz, Tod und Auferstehung. Doch wer hat schon Lust, über das Ende des Lebens nachzudenken?

Beim Prediger Salomo heißt es: „Geboren werden hat seine Zeit, Sterben hat seine Zeit!“ (Prediger 3, 2). - Geboren werden und Sterben sind Teil unseres Lebens und gehören zusammen. Wer meint, diese voneinander trennen zu können, der wird früher oder später eines Besseren belehrt. An Gottes Liebe zu glauben, bedeutet nicht, von Anfechtungen und Herausforderungen verschont zu bleiben, sondern sie zu durchleben.

Die Wochen vor Ostern wollen uns dabei helfen, unser Leben mit all seinen Herausforderungen anzunehmen und die Hoffnung auf ein gelingendes Leben nicht zu verlieren. Doch letztlich müssen wir uns ganz persönlich entscheiden, durch welche Brille wir unser Leben betrachten: die der Angst oder die der Liebe; jener Liebe, die kein Ende hat.

Pastor Ulf Cyriacks,
Ev.-luth. Kirchengemeinden Himbergen und Römstedt