
Augenklinik Würzburg. Ein riesiges Gebäude mit langen Fluren und vielen kleinen Untersuchungszimmern. An den Wänden stehen Stühle, auf denen die wartenden Patienten sitzen. Jeder hat einen „Fahrplan“ bei sich, einen Laufzettel, auf dem steht, welche Untersuchungen diesmal gemacht werden müssen. Wie bei einer Rallye arbeitet man die einzelnen Stationen ab. Von der Überprüfung der Sehstärke zum Messen des Augendrucks. Anschließend zur Überprüfung des Gesichtsfeldes und dann zur Messung der Stärke des Sehnervs. Ganz am Ende dann das Arztgespräch. Der augenblickliche Stand der Dinge wird erläutert, die weiteren Maßnahmen werden besprochen. „In einem halben Jahr kommen Sie bitte wieder!“
Nach mehreren Stunden verlässt man die Klinik leicht erschöpft. War wieder anstrengend, das Ganze. Aber wenn man mit diesem Aufwand Schädigungen am Auge erkennen und rechtzeitig behandeln kann, dann lohnt es sich. Gutes, scharfes Sehen und müheloses Lesen bedeutet Lebensqualität. Das wissen besonders die Menschen, die bereits Probleme mit ihren Augen haben.
Dennoch geht es auch denen, die rein äußerlich mühelos sehen können, so, dass sie manchmal wie blind sind. Dass sie bestimmte Dinge nicht im Blick haben oder nur verzerrt wahrnehmen. Dass sie manchmal erst im Nachhinein begreifen: „Da habe ich wohl eine sehr eingeengte Blickrichtung gehabt und Entscheidendes übersehen.“
Dieses innere Sehen und Erkennen mit Herz, Geist und Seele ist unabhängig von der Qualität unserer Augen. Das Sehen und Berücksichtigen des Mitmenschen, das Erfassen einer Situation in ihrer Vielschichtigkeit, das Wahrnehmen von einer bestimmten Atmosphäre, die in der Luft liegt und das Reagieren darauf ist in unserem Zusammenleben unverzichtbar. Blickwechsel und Perspektivwechsel sind ein wesentlicher Teil unserer menschlichen Kommunikation.
Und schließlich gibt es noch eine weitere Blickrichtung: den Blick auf Gott. „Meine Augen sehen stets auf den Herrn“, heißt es im 25. Psalm. Von diesem Psalmvers leitet sich der Name dieses Sonntags Okuli her. Dorthin schauen, wo wir Hilfe und Orientierung, Trost und Ermutigung bekommen – das ist eine besondere Art des Sehens.
Pastorin Dr. Dorothea Mecking
Ev.-luth. Kirchengemeinden St.-Marien Uelzen und Veerßen
und stellvertretende Pröpstin des Kirchenkreises Uelzen