
„Not lehrt beten!“ – Dieses Sprichwort kenne ich von meiner Großmutter. Manchmal sagte sie das. Sie hat die Erfahrung gemacht: Es gibt Tage, da ist die Not so groß, dass man sich im Gebet Gott zuwendet und um Hilfe bittet.
“Not lehrt beten“ – Menschen, die so reden, haben Not erlitten und im Gebet Erleichterung und Hilfe erfahren. Diese Erfahrung möchten sie weitergeben und damit sagen, dass das Gebet für sie etwas Wichtiges ist. Das kann ich verstehen. – Vielleicht ist es auch so, dass Menschen in Notsituationen empfänglicher sind für das Beten.
Dennoch finde ich, dass die Not keine besonders attraktive Lehrerin ist. Wenn sie die einzige ist, die mich das Beten lehrt …
Besser gefällt mir eine Szene aus einem Film. Da erzählt ein indischer Taxifahrer einem seiner Gäste, wie er mit Gott redet. Immer, wenn etwas in seinem Leben schön ist und gelingt, spricht er zu Gott: „Happy! Thank you! More please!“ – Übersetzt: „Ich bin glücklich! Danke! Bitte mehr davon!“
Ich finde den Gedanken schön, mit Gott zu sprechen, wenn ich mich freue. Die Freude ist doch eine weitaus sympathischere Lehrmeisterin für das Beten als die Not.
Wenn ich mich freue, lege ich für einen Moment meine Ängste, meine Skepsis gegenüber Menschen oder politischen Entscheidungen oder den Krisen der Gegenwart für einen Moment beiseite. Und erwarte Gutes.
Gott vertrauen heißt ja auch: Gutes erwarten, ein Ende von Not, zu hoffen, dass es eine Zukunft für mich und die Welt gibt. – Wenn ich mich freue, fällt mir diese Zuversicht leichter.
In einem Psalm der Bibel heißt es:
„Du tust mir kund den Weg zum Leben;
vor dir ist Freude die Fülle
und Wonne zu deiner Rechten ewiglich.“
Auch der Beter dieses Psalms spricht davon, dass Freude ihren Platz nahe bei Gott hat, ja, dass sie sogar den Weg zum Leben weist.
Viele Menschen haben erfahren: Beten hilft in der Not. Beten lernen kann man aber auch in der Freude: „Happy! Thank you! More please!“ – „Ich bin glücklich! Danke! Bitte mehr davon!“
Pastorin Anne Stucke
Ev.-luth. Kirchengemeinde Ebstorf