Die Farbe Rot


Wort zum Sonntag, 28./29.05.2023 (Pfingsten)

von Pastorin Dr. Dorothea Mecking, stellvertretende Pröpstin des Kirchenkreises Uelzen

Pfingsten – das Fest einer inneren Bewegung, einer Verständigung der Menschen und Völker über alle sprachlichen Grenzen hinweg. Dieses Fest ist verbunden mit starken Gefühlen, mit einer großen Kraft, der Kraft des Heiligen Geistes. Sein Zeichen ist die Farbe Rot: die Farbe von Blut und Feuer, die Farbe der Liebe, der Leidenschaft und auch des Zorns. „Und es erschienen den Jüngern Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist“, heißt es in der Apostelgeschichte. Der Heilige Geist als Feuerflamme, leuchtend wie ein Signal. Feuer vertreibt Kälte, Erstarrung und Finsternis. Feuer verheißt Wärme und Licht und Lebendigkeit.  

Spontan wie ein Feuer hat sich das Christentum damals in Jerusalem ausgebreitet. Viele Menschen ließen sich taufen. Sie wurden Christen und sagten weiter, was sie von den Jüngern Jesu gehört und erfahren hatten. Und sie brachten andere in Bewegung. Weit über Jerusalem hinaus, bis nach Kleinasien, Griechenland und schließlich bis nach Rom verbreitete sich das Christentum.

Für den römischen Kaiser war diese Ausbreitung so etwas wie ein bedrohlicher, unkontrollierter Flächenbrand. Er fühlte sich durch die Christen in seiner Macht bedroht, umso mehr, als er diese neue Lehre weder mit Waffen noch mit Unterdrückung bekämpfen konnte. Zwar verfolgte er die Christen, sperrte sie ins Gefängnis, ließ sie foltern und verhängte die Todesstrafe über sie – aber all diese Maßnahmen änderten nichts. Der Heilige Geist war eine Kraft, die sich weder einsperren noch töten ließ. Die Christen, die von dieser Kraft bewegt waren, waren unbeugsam und unerschrocken. Sie waren sogar dazu bereit, für ihren Glauben zu sterben. Rot – diese Farbe steht auch für die christlichen Märtyrer und ihr Blut.

Auch heute wird es in einer Anzahl von Staaten außerhalb Europas zunehmend bedrohlicher, Christ zu sein. In Nordkorea und Pakistan, in Syrien und Ägypten, im Irak und in mehreren afrikanischen Staaten werden Christen verfolgt und nicht selten mit dem Tod bedroht. Die Angst vor Machtverlust, die schon den römischen Kaiser vor fast 2000 Jahren bewegte, treibt auch manche Machthaber der Gegenwart um. Was für eine Kraft ist diese Kraft des Heiligen Geistes, dass sie so brutal und unerbittlich bekämpft werden muss?

Rot – die Farbe des Feuers, der Liebe und auch die Farbe der Freiheitskämpfer. „Eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben.“ So beschreibt Petrus die Zukunft derer, die den Heiligen Geist empfangen haben. Träume und Visionen, vom Geist inspiriert, können eine große Kraft entfalten. Eine Kraft, die sich gegen festgefügte Meinungen und Konventionen, vor allem aber gegen Unterdrückung und Gewalt richtet.

Rot – die Farbe der Aktivität und Bewegung. Geist, Wind, Hauch – das ist im Hebräischen ein Wort: „Ruach“. Manche Aktivitäten beginnen leise und sanft wie ein Hauch und werden von außen zunächst kaum wahrgenommen. Dennoch verändern sie uns und die Welt. Geist ist Bewegung, und wo Bewegung ist, da ist Leben und Hoffnung, Ermutigung und Trost. So befreit Gottes Geist uns zum Leben. Er gibt unseren Träumen Raum und ermutigt uns, Herausforderungen anzunehmen und nach vorne zu schauen.

Die Farbe Rot, die als liturgische Farbe zum Pfingstfest gehört – sie ist ein Hoffnungszeichen für uns, verbunden mit der Zusage: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen.“

 

Die Pfingstgeschichte

Als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab.

Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde verstört, denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer? Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die da wohnen in Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, Pontus und der Provinz Asia, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Römer, die bei uns wohnen, Juden und Proselyten, Kreter und Araber: Wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden.

Sie entsetzten sich aber alle und waren ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll süßen Weins.

Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, und alle, die ich in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, vernehmt meine Worte! Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde des Tages; sondern das ist’s, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist: Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.

Apostelgeschichte 2,1-18