Sensibilisierung


Wort zum Sonntag, 18.06.2023 (2. So. n. Trinitatis)

von Pastorin Utta Dittmar, Ev.-luth. Kirchengemeinde Holdenstedt
Utta Dittmar (Foto: privat)

„Gesundheit!“ - Sie niesen wieder – diejenigen, die jede umherfliegende Polle erwischen ... und gerade dann, wenn alles in der Natur grünt und blüht. So lästig, dieser Heuschnupfen! Was tun? - Die tränenden Augen ignorieren, die laufende Nase laufen lassen? - Nee, nicht auf Dauer. Und wenn es ganz schlimm kommt, raten andere Geplagte zur Desensibilisierung. Kompliziertes Wort und laienhaft erklärt meint es, dass die Substanzen in immer höherer Dosis gespritzt werden, auf die der Körper allergisch reagiert, um die Reizschwelle nach und nach zu erhöhen. Ziel der Therapie ist die Immunität gegen solche Reize. Gut – und nun?

Wie  könnte demgegenüber ein Sensibilisierungsprogramm aussehen? Eins, das die Reizschwelle langsam senkt, damit man sich nicht an einen von Misstrauen geprägten Umgangsstil gewöhnt? - Wie finde ich beim Sensibilisieren z. B. die richtige Sprache, eine, die hilft, tröstet, sachlich und ruhig bleibt, die hitzige Situationen entkrampft und zu einer gemeinsamen Lösung führt? - Merkwürdig, wie schwierig das sein kann.

Und die Kirche – spricht sie eine bessere Sprache, die entlastet, tröstet, neue Perspektiven eröffnet? Manche sagen: Nein, tut sie nicht. Sie wiederholt bloß alte Glaubenssätze, die kein Mensch mehr versteht. Die Alltagsfragen der Menschen verhallen ungehört. Menschen, junge wie alte, erzählen, dass Lieblosigkeit im Alltag zunimmt, die Sehnsucht nach Harmonie und Frieden auf der Strecke bleiben. Das Herz gerät buchstäblich aus dem Takt. Und „Euer Gott -“, so die Frage an die Christen, „guckt er aus seiner Komfortzone im Himmel armeverschränkend zu?“ - Tja. 

Das  beste Sensibilisierungsprogramm, das ich kenne, ist tatsächlich uralt, über 2000 Jahre alt: „Gott, der Herr, der Mächtige, redet und ruft der Welt zu vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang.“ So lautet das Losungswort aus dem 50. Psalm für Samstag, den 17. Juni.

Ich hoffe, dass - je größer die Zahl der Menschen wird, die mit diesem Glaubens-Programm zu leben versuchen - auch das Klima unseres menschlichen Umgangs miteinander einfacher wird. Klar ist aber auch: De-sensibilisierung bei Heuschnupfen kann Jahre dauern – Sensibilisierung mit Psalm 50 sicher länger, ein Leben lang vielleicht.

Pastorin Utta Dittmar
Ev.-luth. Kirchengemeinde Holdenstedt