„Die Zeiten sind doch vorbei, in denen wir uns per Video treffen müssen. In Präsenz ist es doch viel schöner.“ Das höre ich immer wieder, wenn ich mit anderen Menschen Termine vereinbare. Ja, natürlich ist es schön, sich „so richtig“ gegenüber zu sitzen und miteinander zu reden. Besonders bei Gruppen, die sich zum ersten Mal begegnen, oder wenn es um eine komplizierte Angelegenheit geht, ziehe ich ein analoges Treffen vor. Ich schaue meinen Mitmenschen gerne direkt ins Gesicht. Aber im Großen und Ganzen bin ich eine Freundin digitaler Treffen. In den zurückliegenden drei Jahren habe ich viele Erfahrungen sammeln können und bin inzwischen überzeugt: Gemeinschaft ist auch per Zoom (oder einem anderen Dienst) möglich: ob beim digitalen Stammtisch, in der geistlich-spirituellen Weggemeinschaft, beim Planungsmeeting oder beim Gottesdienst mit Abendmahl. Manchmal liegen mehrere hundert Kilometer zwischen uns und trotzdem sind wir uns nah.
Bei solchen Gelegenheiten erlebe ich doppelt geschenkte Zeit. Nicht nur das Treffen ist ein Geschenk, sondern auch die Zeit, die ich sonst im Auto oder im Zug verbracht hätte.
Vor ein paar Wochen wurde eine Sitzung, zu der alle Beteiligten weite Anfahrtswege hatten, wegen einer Unwetterwarnung kurzfristig ins Digitale verlegt. Die Nachricht erreichte mich ein paar Minuten bevor ich mich auf den Weg zum Bahnhof machen wollte. Die Zeit, die ich für die Hinfahrt gebraucht hätte, nutzte ich am Schreibtisch für dienstliche Aufgaben. Die Zeit für die Rückfahrt nahm ich als persönliches Geschenk: ich stieg aufs Fahrrad und besuchte meine Eltern für einen kleinen Plausch. Auf dem Rückweg traf ich eine Bekannte. Wir haben nicht oft Zeit füreinander. Jetzt hatten wir sie. Schließlich hielt ich noch an einem Gartenzaun. Aus dem anfänglichen Smalltalk wurde ein tiefgehendes Gespräch. „Das war schön! Kommen Sie doch gerne wieder“, wurde ich verabschiedet.
Mal sehen, wann ich das nächste Mal Zeit geschenkt bekomme und wie ich sie dann verbringe.
Heike Burkert,
Pastorin für regiolokale Kirchenentwicklung
in den Kirchenkreisen Wolfsburg-Wittingen und Uelzen