„Heiß und heilig“


Wort zu Pfingsten, 19./20.05.2024

von Pastor Johannes Luck, Ev.-luth. Gesamtkirchengemeinde Bevensen-Medingen
Johannes Luck (Foto: privat)

Leuchtende Farben waren sein Markenzeichnen. Großformatige Bilder mit intensiv leuchtenden Blumen in Rot, Blau, Gelb und Violett – am liebsten aus seinem eigenen Garten in Neukirchen bei Seebüll. Die Rede ist von Emil Nolde. Wer schon einmal eine Ausstellung mit seinen Bildern besucht hat, der fühlt sich nach dem Besuch aufgeladen, ja, regelrecht energetisiert. Nolde mischte seine bunten Farben aber nicht nur für Blumenbilder und Landschaftsgemälde an, auch Menschen fanden regelmäßig den Weg auf seine Leinwände.

Noch in jungen Jahren malt er nach einer Vergiftung, die ihm fast sämtliche Lebenskräfte genommen hatte, einen Bilderzyklus, zu dem auch die Bilder „Das Abendmahl“ und „Pfingsten“ gehörten. Darauf zu sehen? Ausschließlich Menschen. Wer sich die Bilder, die auch im Internet zu finden sind, einmal anschaut, dem wird auffallen, wie ähnlich die beiden Bilder aussehen.

Auf „Das letzte Abendmahl“ sitzt wie zu erwarten Jesus in der Mitte seiner Freunde. Links von ihm der Jünger Johannes, rechts von ihm Petrus. Beide richten einen verächtlichen Blick auf Judas, der im Vordergrund steht und den Bildbetrachtenden den Rücken zukehrt. Gerade hat Jesus darauf hingewiesen, dass Judas derjenige sein wird, der ihn an die römischen Behörden und damit an den sicheren Tod ausliefern wird. Wut, Schock und Entsetzen machen sich bei den Übrigen breit. In dunkelgrüner Farbe lässt Nolde ihre Gesichter erscheinen. Nolde hat den Moment eingefangen, in dem der Kreis um Jesus im Dunkeln versinkt ...

Das zweite Bild – „Pfingsten“: Von der Anordnung der Personen, wie gesagt, erstaunlich ähnlich. Nur, wer sitzt hier in der Mitte? Jesus kann es nicht sein, obwohl die Person erstaunlich ähnlich aussieht. Seine Himmelfahrt liegt ja bereits in der Vergangenheit. Die Jüngerinnen und Jünger sind alleine zurückgeblieben. Also, wer sitzt nun wie Jesus in der Mitte? „Es ist Petrus“, sagt Nolde, als Menschen aus seiner Familie diese Bilder als Erste betrachten und sich ebendiese Frage stellten. - Petrus? Das sei nicht möglich, sagen sie, so wie Petrus beim Abendmahl aussehe, könne es sich beim Pfingstbild nicht um denselben Petrus handeln. Eines der Bilder von beiden zeige nicht die Wahrheit.

Tatsächlich mag man sich wundern, wenn man beide Bilder vergleicht, dass Petrus einmal mit dunklen Haaren, schmalem Bart und schmalem, grimmig-skeptischem Blick gezeigt wird – und dann mit roten, leuchtenden Haaren und offenen, freundlichen Augen, ganz offensichtlich an Jesus erinnernd. Warum?

Der expressionistische Maler Nolde möchte nicht eine wortgenaue Wiedergabe vom letzten Abendmahl und von Pfingsten schildern, sondern „ein persönliches, ein phantastisches Erlebnis, das tief in seinem Inneren geboren, geborgen und verwurzelt war“. Ich wollte „Gott in mir“ haben „heiß und heilig wie die Liebe Christi“.

Das ist es, was Pfingsten ausmacht! Gott in sich zu haben, „heiß und heilig“. Denn das verändert das Leben eines Menschen. Das macht Nolde mit seinem Petrus deutlich, der sich durch sein Pfingst-Erlebnis verändert hat, Jesus ähnlicher geworden ist. Der schwach war, wie jede und jeder von uns es im eigenen Leben immer mal wieder ist - aber der stark wird, weil er in sich spürt, dass es mehr gibt, als das, woran man manchmal verzweifelt. Dass es einen tieferen Sinn gibt, der in dieser Welt überall bereit liegt und nur darauf wartet, entdeckt zu werden, um heiß und heilig und mit aller Liebe neue Lebensenergie zu wecken.

Das ist es, was ich Ihnen wünsche an diesem Feiertag! 

Pastor Johanne Luck,
Ev.-luth. Gesamtkirchengemeinde Bevensen-Medingen,
2. Stellvertreter der Pröpstin im Kirchenkreis Uelzen,
Pastor für Digitale Kirche im Kirchenkreis Uelzen