Vom hellen Schein des Betens


Wort zum Sonntag, 02.06.2024 (1. So. n. Trinitatis)

von Pastor Michael Dierssen, Ev.-luth. St.-Petri-Kirchengemeinde Bodenteich
Pastor Michael Dierßen (Foto: privat)

Lene wusste, dass Oma noch in die Kirche ging. Nicht jeden Sonntag. Aber den Gottesdienst im Fernsehen schaute sie auf jeden Fall regelmäßig. Als Lene Papa mal fragte, warum Oma das macht, zuckte er mit den Schultern: „Ich kann´s dir nicht sagen, wozu sie das macht.“

Oma betete auch manchmal. Leise und deutlich. Das hatte Lene gehört. Abends wenn beide schon im Bett lagen, und Lene übers Wochenende bei Oma bleiben durfte. - „Warum betest du, Oma?“ – „Ich habe es so gelernt.“ Lene nickt.

Oma steht auf, geht zur Vitrine und nimmt die kleine Schale heraus. Weißes Porzellan. Eher eine Vase. Die Öffnung ist nur etwas kleiner als ihr Umfang. Innen, das weiß Lene, ist sie wie aus Gold. Sie hat schon reingesehen. Oma dreht sie ein wenig, als würde sie die Sonnenstrahlen einfangen, die hereinblitzen. Bis sie ganz hell und voll mit Licht ist.

„So ist das mit dem Glauben“, sagt Oma, „er bringt mir mein Innesters zum Leuchten. –  Also nicht der Glaube. Gott macht das.“

„Hier!“ - Oma hält Lene das zierliche Gefäß hin. Lene hält ihre beiden kleinen Hände, als wollte sie Wasser schöpfen. Das Leben. Und Oma legt sie hinein. Die kleine feine Schale. Aus Gold und Porzellan. In Lenes Hände. Und Oma hilft ihr vorsichtig, sie mit ihren Händen zu umschließen. Um sie zu halten. Lene staunt. Immer noch. Und begreift. - „Beten wir jetzt gerade, Oma?“ - „Ja, Lene. Wir fangen gerade damit an.“ - „Das ist gut.“

Denn Gott hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben. (2. Korinther 4,6)

Michael Dierßen,
Ev.-luth. St.-Petri-Kirchengemeinde Bodenteich