Entschleunigung


Wort zum Sonntag, 17.08.2025 (9. So. n. Trinitatis)

von Pastorin Susanne Schulz, ​​​​​​​Ev.-luth. Kirchengemeinde Nettelkamp
Susanne Schulz (Foto: privat)

Das hatten wir uns anders vorgestellt. Sommer, Sonne, Badespaß – das war der Plan. Aber mitten in den Ferien meiner Kinder werde ich krank. Und dann regnet es sowieso jeden Tag: Die Sommerferien fallen ins Wasser. Buchstäblich.

Statt Abenteuerprogramm und Ausflügen heißt es plötzlich: Entschleunigung. Ich muss mit meinem Infekt alles langsamer angehen, schaffe weniger, brauche viele Pausen. Erst ärgere ich mich. Doch dann frage ich mich: Was, wenn genau das gut ist?

Wir machen langsamer – und erleben manches bewusster. Keine Outdoor-Action, kein Höher, Schneller, Weiter. Stattdessen: Wohnzimmer, Bücher, Brettspiele. Zwischendurch Langeweile – die uns kreativ werden lässt. Oma hat selten so viele selbst gebastelte Geschenke zum Geburtstag bekommen wie in diesem Jahr. Weil einfach mehr Zeit da war. Zeit, die sonst im Trubel untergeht. Zeit füreinander. Und auch für mich: Ich habe mich wirklich erholt und die Erkältung auskuriert.

Der Sommer? Er ist ja längst noch nicht vorbei. Es ist noch immer Zeit für Badespaß, Spaziergänge und Eis im Schatten der Bäume.

Aber vielleicht war das, was wir in dieser ungeplanten Pause erlebt haben, genau das, was wir brauchten und ein Geschenk: Momente, in denen nichts passieren muss – und doch so viel geschieht. Es war kein Sommer, wie wir ihn uns gewünscht hatten. Aber einer, der uns gutgetan hat.

In der Bibel heißt es: „In der Ruhe liegt eure Kraft“ (Jesaja 30,15). Ein unspektakulärer Vers – und gerade deshalb so wohltuend. Oft glauben wir, unsere Kraft käme aus Aktivität – Erlebnissen, die Erinnerungen schaffen. Aber wahre Kraft entsteht im Innehalten. In Momenten, in denen wir nicht erreichbar sein müssen. Nicht funktionieren. Nichts leisten. Einfach da sein. Zuhören. Durchatmen.

Das klingt unzeitgemäß in einer Welt, die Schnelligkeit und Leistung fordert. Aber es ist genau diese Ruhe, die wir viel zu oft übergehen – und die wir erst dann erfahren, wenn wir ausgebremst werden. Wenn wir aufhören, zu rennen und wieder spüren: Was brauche ich gerade? Was tut mir gut? Wo finde ich Halt?

Diese Ruhe entsteht, wenn wir loslassen. Wenn wir akzeptieren, dass nicht alles nach Plan läuft. Es ist kein verlorener Sommer, sondern einer, der uns daran erinnert: Nicht das perfekte Programm zählt, sondern das echte Leben – miteinander.

Pastorin Susanne Schulz,
Ev.-luth. Kirchengemeinde Nettelkamp

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